Beim 3:5 (1:2) in Basel offenbarte das erst am Morgen aus dem Trainingslager in Südfrankreich angereiste Team von Bundestrainer Joachim Löw erstaunliche Mängel in allen Bereichen. Insbesondere im Defensivverhalten war die DFB-Auswahl ohne die acht Münchner Akteure von Turnierreife meilenweit entfernt. "Es hat heute nur wenig funktioniert", gestand der Dortmunder Mats Hummels.
Die Abwehr vor dem überraschend im Tor eingesetzten und sogar 90 Minuten durchspielenden Debütanten Marc-André ter Stegen war nicht nur bei den drei Gegentoren des herausragenden Leverkuseners Eren Derdiyok (21./23./50. Minute) sowie den Treffern von Stephan Lichtsteiner (67.) und Admir Mehmedi (76.) orientierungslos. Hummels mit seinem ersten DFB-Tor (45.), Andre Schürrle (64.) und Marco Reus (72.) betrieben vor 27 381 Zuschauer im St. Jakob-Park lediglich Schadensbegrenzung.
"Über das Ergebnis kann man sich nicht freuen. Nach den sehr intensiven Einheiten wusste ich schon, dass die Frische fehlt. In diesem Spiel ist so viel passiert, das muss ich jetzt erst mal aufarbeiten", sagte Löw, auf den nach der Rückkehr nach Südfrankreich, wohin auch die Bayern um Kapitän Philipp Lahm am Samstagabend anreisten, noch sehr viel Arbeit wartet.
Die Defensive fiel bei dem Test mit Pauken und Trompeten durch. Die Viererkette vor ter Stegen, der als 51. Neuling in der Ära Löw ein ordentliches Debüt zwischen den Pfosten gab, wirkte desolat. Fünf Gegentore gab es zuletzt beim 1:5 in Rumänien am 28. April 2004 unter Rudi Völler. "Wir sollten jetzt nicht nach Ausreden suchen. Es war aber klar, dass die Beine noch schwer waren nach dem harten Training. Wir haben es nicht geschafft, die Schweizer unter Druck zu setzen, und dann ist das auch für die Abwehr schwer", gestand Miroslav Klose. Per Mertesacker war bei seinem ersten Wettkampf nach dreimonatiger Pause wegen einer Fußverletzung längst kein Abwehrchef, aber auch die Nebenleute Hummels, Benedikt Höwedes und Marcel Schmelzer waren gegen die spritzigeren und gedankenschnelleren Schweizer immer wieder zweiter Sieger. "Es war ein wertvoller Test. Man hat gesehen, dass noch nicht alles läuft. Aber wir haben noch etwas Zeit", räumte Mertesacker ein, dem die mangelnde Spielpraxis anzumerken war.
Im Angriff fand Klose in seinem 115. DFB-Einsatz ebenso wenig Bindung zum Spiel wie Lukas Podolski, dem jegliche Explosivität fehlte. Auch Mario Götze und Mesut Özil, der nach der Pause von Marco Reus abgelöst wurde, hatten mit schweren Beinen zu kämpfen. Reus belebte das deutsche Spiel und auch der 20 Minuten vor dem Ende gekommene 52. Löw-Neuling Julian Drexler trat frisch und frech wie im Schalker Trikot auf.
Die deutsche Mannschaft wurde früh für ihre Nachlässigkeit bestraft. Ein Ballverlust von Mario Götze im Mittelfeld brachte Tranquillo Barnetta ins Spiel, von dem Benedikt Höwedes meist nur die Hacken sah. Der Leverkusener setzte sich auf der linken Seite energisch durch und passte zu seinem Clubkollegen Derdiyok, der mühelos zum 1:0 vollstreckte. Nur zwei Minuten später war die Abwehr erneut falsch gestaffelt, als Barnetta erneut auf der linken Seite davonzog und nach innen flankte. Unbehelligt von Mertesacker konnte Derdiyok sich per Kopf beim 2:0 die Ecke aussuchen.
Weitere 120 Sekunden später wäre die Unordnung im Defensivverbund beinahe ein drittes Mal bestraft worden. Mit einer Blitzreaktion gegen den frei auf ihn zulaufenden Derdiyok verhinderte Debütant ter Stegen einen Dreierpack des Schweizers innerhalb von fünf Minuten. Als Derdiyok den überforderten Hummels aussteigen ließ, zirkelte Mehmedi den Schlenzer den Ball aus 18 Metern knapp am deutschen vorbei. Mit dem Kopfballtreffer nach Özil-Freistoß gestaltete Hummels eine schwache erste DFB-Halbzeit wenigstens etwas freundlicher.Egal was Löw seinen Spielern in der Halbzeit gesagt haben mochte, auf dem Rasen änderte sich nichts. Nach Freistoß-Flanke von Barnetta kam Derdiyok mit dem Kopf vor Mertesacker an den Ball und traf zum dritten Mal. In die deutschen Aktionen der deutschen Mannschaft kam mit Reus mehr Leben. Der künftige Dortmunder hatte in der 59. Minute mit einem Heber Pech. Besser machte es Schürrle, der mit freundlicher Unterstützung von Benaglio zum sechsten Tor im 13. Länderspiel kam. Bei Lichtsteiners Kopfball-Tor zum 4:2 machte auch ter Stegen erstmals keine glückliche Figur. Nach Reus' Anschlusstor bestrafte Mehmedi die Auflösungserscheinungen in der Hintermannschaft mit dem 5:3. Gelson Fernandes scheiterte am Ende noch an der Latte (88.).